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FC Ingolstadt – FC Carl Zeiss Jena (03.04.2010)

Auf der Rückreise der Fans des FC Carl Zeiss Jena vom Drittligaspiel in Ingolstadt fuhren etwa 150 Personen mit dem Zug wieder Richtung Thüringen. In einem der Abteile kam es kurz vorm Nürnberger Hauptbahnhof zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung unter den Fans, da einige Personen nicht mehr gewillt waren, rechtsradikale und rassistische Gesänge und Gesten, sowie ständige Provokationen und verbale Entgleisungen gegenüber anderen Fahrgästen, seitens einer stark alkoholisierten Fangruppe aus dem Süd-Ostthüringer Raum, hinzunehmen. Im Kontext könnte man durchaus von zivilcouragiertem Verhalten sprechen, wenn auch nicht unbedingt beabsichtigt war, dies durch Gewalt auszudrücken. Drei Uniformierte Beamte konnten die Widersacher die letzten Sekunden vorm Eintreffen am Bahnsteig auseinanderhalten. Bis dato gab es keinerlei Konfliktpunkte mit der begleitenden Polizeieinheit im Zug.

Am Nürnberger Hauptbahnhof erwarteten drei Polizeieinheiten die Jenenser Reisegruppe. Kaum aus der Tür ausgestiegen, rief ein Großteil der Fans „Nazis Raus“. Die Anspannung unter den Polizisten, ob der gänzlich unklaren Situation, was denn überhaupt hier los sei, war mehr als spürbar. Kurz darauf kam es zu einer erneuten Konfrontation zwischen zwei Personen. Da die Situation aber relativ schnell zugunsten einer Person entschieden werden zu schien, gab es einen Aufschrei unter wenigen Fans, die beide Kampfhähne trennen wollten, bzw. ihren Kumpel wegziehen wollten, damit er von seinem Kontrahenten ablässt. Da die Situation für die Polizei zu unübersichtlich wurde, sprühte sie nun wahllos Pfefferspray in die Menschenmasse und Schlugen mit Mehrzweckeinsatzstöcken und Teleskopschlagstöcken auf alles ein, was sich nicht sofort vertrieben lies. Wohlgemerkt fand das ganze Szenario zwischen zwei stehenden Zügen am Bahnsteig statt, die Fluchtmöglichkeiten waren begrenzt, die Beamten besprühten sich teilweise sogar gegenseitig mit Pfefferspray. Die Fans wurden nun dem Bahnsteig entlang getrieben, die Beamten hatten wohl sichtlich ihren Spaß, denn an einer Beruhigung der Lage waren sie scheinbar nicht interessiert. Neben den kurzzeitigen Verletzungen durch Pfefferspray, sowie durch den Einsatz der Schlagstöcke hervorgerufene Prellungen und Blutergüsse, gab es ungewöhnlich viele Bißwunden und Quetschungen, die von Polizeihunden verursacht wurden. Diese schnappten, da sie zu lang angeleint waren, nach unbeteiligten Personen am Rand des Bahnsteiges, die dem Treiben glücklichwerweise vorzeitig aus dem Weg gehen konnten und trotzdem zum Spielball der Beamten wurden.

Nach dem sich die Lage mehr und mehr beruhigte, fielen besonders ältere Herren des Unterstützungskommandos (USK) auf, die immer wieder mittels verbaler Provokation versuchten, die Stimmung anzuheizen. Teilweise schreckten vereinzelte Beamte auch nicht davor zurück, mit dem Finger auf Leute, die explizit nach dem Grund für derart hartes Vorgehen fragten, zu zeigen und diesen unmittelbar Schläge anzudrohen (Zitat: „Sag noch ein Wort dann hau ich dir auf die Schnauze“). In diesem Zusammenhang kam es auch zu Schubsereien und persönliche Beleidigungen zwischen der grün uniformierten Bundespolizei und dem USK. Überhaupt schien der eher ruhigen Bundespolizei das Vorgehen der in schwarz gekleideten Kollegen unangenehm zu sein, was auch in Gesprächen zwischen den Beamten deutlich wurde (Zitat: „Was dieser Mist von denen schon wieder soll“). Dies gipfelte noch am Bahnsteig fast in Handgreiflichkeiten zwischen den verschiedenen Polizeieinheiten (Zitat: „Verpisst euch, das ist nicht euer Einsatzgebiet“)

Das im weiteren Verlauf persönliche Befindlichkeiten des USK an einzelnen Fans ausgetragen wurden, verdeutlichen die folgenden Festnahmen. Das dies gerade auf Veranlassung der Beamten geschah, die von den eigenen Kollegen zurückgewiesen wurden und auf körperliche Angriffe verzichten mussten, unterstreicht die Willkürlichkeit mit der gegen friedliche Personen vorgegangen wurde.

Die Festgenommenen wurden von der Polizei öffentlich wirksam mit Handschellen mit mehreren Kollegen aus dem Bahnhof geführt, um dort massiv und rechtswidrig unter Druck gesetzt zu werden (Zitat: „Du gibst mit jetzt deine Handy/Telefonnummer oder du bleibst über Nacht hier“). Ebenfalls wurde erst auf der Wache entschieden, was den Festgenommenen eigentlich zur Last gelegen werden könne (Polizist 1: „Beleidigung“, Polizist 2: „Nein. Körperverletzung“, der Vorgesetzte: „machen wir Rädelsführung“).

Personen am Bahnsteig, die nach Dienstnummern der Beamten fragten wurden höhnisch ausgelacht oder auf den Einsatzleiter verwiesen. Nur war dieser entweder nicht auffindbar (Zitat: „Der hat zu tun und sitzt 300 Meter von hier entfernt im Büro, vielleicht hast du ja Glück und er hört dir überhaupt zu“), seine Einheit hatte mit dem Einsatz nichts zu tun (Zitat: „Damit hab ich nix zu tun, da musste zu dem anderen“) oder die als Einsatzleiter ausgewiesen Person entpuppten sich als „normaler“ Beamte. Faktisch wurden damit nachfragende Fans bewusst von einem Beamten zum nächsten geschickt, um dort mit einem süffisanten Grinsen zu einem weiteren angeblichen Einsatzleiter verwiesen zu werden. Diese Vertuschungs- und Verwirrtaktik wurde damit gezielt und provokativ ausgeübt. Nach dem Motto: „Ihr habt doch eh keine Ahnung“ wurden nachfragende Personen immer wieder für dumm verkauft (Zitat: „Siehst du den Adler hier? Das ist der Bundesadler“), Zeit hinausgezögert, um mit dem bald abfahrenden Zug die Probleme loszuwerden. Dass das für „dumm verkaufen“ nicht die einzige Typisierung und Anwendung von Stereotypen geblieben ist, beweisen noch die folgenden Zitate: „Das lasst ihr euch doch eh von der Stütze bezahlen“ (wer hier von staatlichen Geldern finanziert wird muss ja nicht erläutert werden), „hättet ihr nicht immer nur randaliert“, „ihr sauft euch doch eh nur die Platte zu“. Hinzu kamen verschiedene offensichtliche Belustigungen der Polizei gegenüber den Fans, sowie Beamte, die durch knirschende Zähne und krampfhaftes Küsse werfen auffallen wollten.

Letzendlich waren vier unterschiedliche Einheiten an den stattfindenden Übergriffen beteiligt. Zum einen waren dies: Die den Zug begleitende Bundespolizei (grüne Uniform), das USK (schwarze Uniform mit Löwen), die bayrische Landespolizei (schwarze Uniform mit bayrischem Wappen) sowie eine weiterer Zug der Bundespolizei (schwarze Uniform, Bundesadler). Kein Beamter wusste wirklich worum es ging, bzw. weshalb die Lage nach Ankunft des Zuges etwas aufgeheizt war. Dem Einsatzleiter merkte man (nachdem er doch noch auffindbar war) seine Nervosität an. Wie konnte jemand weniger Herr der Lage sein? Wie konnte jemand noch weniger Selbstsicherheit und Kontrolle ausstrahlen? Und genau dort lag der Punkt warum sich die Fans aus Jena verprügeln und demütigen lassen mussten. Die eine Hand wusste nicht, was die andere tat. Erstmal die Fußballfans über den Bahnsteig geprügelt, danach kann man die Lage immernoch unter Kontrolle bringen. Oder sich in den Medien beschweren, dass die Gewalt gegenüber den ach so arg gebeutelten Beamten immer mehr zunimmt. Zum Glück für die Polizeigewerkschaft lassen sich mit planlos prügelnden Beamten weniger Skandalschlagzeilen machen, als mit zwei Sekunden Filmmaterial von einem Fanblock in dem Pyrotechnik gezündet wird. Die Hysterie vor den lobbylosen Fußballfans wird immer größer, jeder Anlass gleich skandalisiert. Die Angst vor randalierenden Fußballfans spiegelt den vorgesetzten Meinungseinheitsbrei der ganzen kritiklosen Konsumgeneration wider.

Fansmedia Jena


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