Vor bald fünf Jahren, am 28. März 2005 wurde der Punk Thomas “Schmuddel” Schulz in Dortmund von einem Nazi-Skin ermordet. Schmuddel war auf dem Weg zu einem Konzert als er auf den 17-jährigen Sven Kahlin traf, der mit rechtsradikalen Sprüchen auf sich aufmerksam machte. Als Schmuddel ihn dafür zur Rede stellen wollte, erstach Kahlin den wehrlosen Punk hinterlistig mit einem Messer. Schmuddel verstarb noch an der Haltestelle. Sven Kahlin wurde gefasst und Ende des Jahres wegen “Totschlags” zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Urteil wird zwar lang und breit die rechtsradikale Gesinnung Kahlins dargelegt – aber dennoch leugnet das Gericht die politische Motivation des Mörders und kommt zu der Auffassung, dass Kahlins Hass auf Punks keine menschenverachtende Einstellung wäre. Nein, Kahlin hätte seinem Opfer ja sogar ein Friedensangebot gemacht und Schmuddel hätte eine Mitschuld an seinem Tod, weil er Kahlin für seine Nazi-Sprüche zur Rede gestellt hatte. Damit würden die niedrigen Beweggründe und somit ein Mordmerkmal fehlen. Obwohl der Richter anerkennt, dass Thomas Kahlin zu keinem Zeitpunkt bedroht hatte, Kahlin ein überzeugter Nazi ist und Thomas gegen seinen Angriff völlig wehrlos war; die politische Motivation anzuerkennen und sie eindeutig als menschenverachtend zu kategorisieren, dazu konnte er sich nicht durchringen. Dies ist nur ein weiterer Fall von vielen, in denen die Justiz Nazi-Morde relativiert, den politischen Hintergrund nivelliert, oder leugnet und somit die Opfer verhöhnt.
Faschismus ist keine Meinung, sondern eine Vernichtungsideologie
Die Dortmunder Nazi-Szene feierte den Mord an Thomas, wie schon im Jahr 2000 als der Neonazi Michael Berger drei PolizistInnen in Dortmund ermordete. Die Machtfrage in Dortmund sei “gestellt und positiv beantwortet” worden, so ließen die Nazis im Internet verlauten. Plakate mit der Aufschrift “Wer der Bewegung im Weg steht, muß mit den Konsequenzen leben” und Aufkleber, die verkündeten “Antifaschismus ist ein Ritt auf des Messers Schneide” tauchten in der Stadt auf. Als wäre das nicht genug, verhöhnten die Nazis das Mordopfer mit einer 2008 gestarteten Hetzkampagne. Eigentlich sei ihr “Kamerad” Kahlin das Opfer vom 28.3.2005. Schmuddel hätte Sven Kahlin zusammen mit 20 Punks angegriffen und sei selbst bewaffnet gewesen. Daraufhin hätte Kahlin sich gewehrt und zugestochen. Selbst das Gerichtsurteil, was ja nun wirklich nicht in den “Verdacht” geraten kann, mit antifaschistischer Motivation gesprochen worden zu sein, legt eindeutig dar, dass dies nicht so war. Wer sich für Schmuddel und das Gedenken an ihn interessiert, sollte sich das Urteil selbst einmal durchlesen.
Dortmund: Ein Streichelzoo für Nazis
Die Stadt Dortmund verschließt weiterhin die Augen vor dem Naziproblem. Eine Gedenktafel für Schmuddel weigerte sie sich anzubringen, um keinen Wallfahrtsort für „Links- und Rechtsextremisten“ zu schaffen und gegen die immer besser organisierte Naziszene, mit Schwerpunkt in der „National befreiten Zone“ Dorstfeld, unternimmt sie nichts. Jahr für Jahr schützt sie die Aufmärsche der Kameraden des Mörders Kahlin in Dortmund und Jahr für Jahr sehen sich AntifaschistInnen, die damit nicht konform gehen, polizeilicher Repression ausgesetzt. Auch im letzten Jahr konnten 700 Nazis erneut ihren “nationalen Antikriegstag” durchführen. Durch polizeiliche Auflagen beschränkt, konnte zwar “nur” eine Standkundgebung durchgeführt werden, jedoch wurde in den Wochen zuvor fast täglich und nahezu ungestört mit Infoständen in der Innenstadt und Flugblattverteilaktionen an Schulen für die Demonstration und das nationalsozialistische Weltbild geworben. Zuvor hatten die Nazis großes Aufsehen erregt, als sie mit 400 Leuten am 1. Mai eine Demonstration des DGB angriffen. Die Demoleitung entschied sich die Nazis zu ignorieren und während die deutschen Gewerkschafter sich größtenteils aus der Affäre zogen, waren migrantische Linke, die an der Demo teilnahmen den Angriffen der Nazis hauptsächlich ausgesetzt. Dieser Angriff auf eine Veranstaltung einer staatstragenden Organisation rief auf einmal große Bestürzung in den bundesweiten Medien hervor. Dass bereits Anfang des Jahres ein Mensch aufgrund eines linken T-Shirts in Dortmund von Nazis ins Koma geprügelt wurde, interessierte weitaus weniger Menschen. Über das ganze Jahre hinweg outeten die Nazis jede Woche AntifaschistInnen. Auch wenn die Informationen nicht immer richtig und vollständig waren – allein die Tatsache, dass die FaschistInnen so gut über die linke Szene informiert sind und eine solche Aktion ein Jahr lang durchziehen zeugt von ihrer Organisiertheit. Das traurige Fazit der Jahre seit dem Mord an Thomas ist: nichts hat sich geändert. Im Gegenteil, es ist sogar noch schlimmer geworden. Wie nie zuvor sind die Nazis auf den Straßen präsent, vereinnahmen einen ganzen Stadtteil für sich und gehen gegen AntifaschistInnen vor. Es hilft nichts, das Problem kleinzureden. Die Dortmunder Nazis lassen sich bestimmt nicht von hohlen Phrasen und Selbstüberschätzung unsererseits beeindrucken. Das Problem in Dortmund muss realistisch eingeschätzt und konsequent und mit allen Mitteln angegangen werden!
Wandelt Wut und Trauer in Widerstand
Bundesweit und international ermorden Nazis MigrantInnen, Obdachlose, Homosexuelle, JüdInnen, politische Gegner und andere. Ob Josef Anton Gera in Bochum, Dieter Eich in Berlin, Rick L. in Magdeburg, ob Ivan Khutorskoy in Moskau, Carlos Palomino in Madrid, oder eben Thomas Schulz in Dortmund – das Gedenken an sie ist wichtig und unverzichtbar. Gerade da in allen Ländern Polizei, Politik, Presse und Justiz die Morde, ihre politischen Hintergründe, die Tathergänge und manches andere leugnen, verdrehen und umdeuten, müssen AntifaschistInnen und Antifaschisten darauf hinweisen, dass auch 64 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialmus Menschen von FaschistInnen ermordet werden. Wir sind es ihnen schuldig an sie zu erinnern, wir sind es ihnen schuldig, uns dafür einzusetzen, dass nie wieder Menschen Opfer gesellschaftlicher Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmechanismen werden. Im Gedenken an die Ermordeten wird deutlich, dass unser politisches Engagement kein Spiel ist und nicht der Selbstbespaßung dient. Rassismus, Homophobie, Sozialdarwinismus, Antisemitismus, Antiziganismus haben schreckliche Folgen und müssen kompromisslos bekämpft werden. Sowohl gegen den Widerstand der Nazis, als auch gegen den der Institutionen der herrschenden Gesellschaftsordnung. Wir sollten diese Aufgabe ernst nehmen.
Wir rufen dazu auf euch zahlreich und lautstark am Gedenken an Thomas Schulz zu beteiligen. Kommt am 3.4. nach Dortmund, besucht die Demonstration und setzt ein Zeichen gegen die widerlichen Nazi-Arschlöcher, die sich in Dortmund breit gemacht haben.
Los geht’s um 16 Uhr am Vorplatz des Hbf.
Nichts ist vergeben, niemand ist vergessen – Nazis konsequent angreifen !
Antifaschistische Jugend Bochum
P.S.: Da am selben Tag der Naziaufmarsch in Stolberg stattfindet, möchten wir natürlich nicht von den Gegenaktivitäten mit diesem Aufruf wegmobilisieren. Für uns ist es ebenso wichtig den Nazis in Stolberg entgegenzutreten, wie an Thomas Schulz zu gedenken. Daher rufen wir ebenfalls zur Teilnahme an den Gegenaktivitäten in Stolberg auf.